
Die Knochen krächzen und knirschen, das Fleisch zermanscht und verschmilzt, Körper werden verstümmelt oder neu arrangiert. Body-Horror ist zugleich abstossend wie anziehend, weil die überzeichnete Verunstaltung des Menschen näher an der Realität dran ist, als wir zunächst annehmen.
Das Grusel-Subgenre ist nur eine pervertierte Form von dem, was wir im Laufe des Lebens an unserem eigenen Leib beobachten können: Wir wachsen und schrumpfen. Wir bekommen Haare, mal an Stellen, an denen man sie erwartet, mal ganz woanders, vielleicht verlieren wir sie auch gleich ganz. Pickel und Warzen spriessen und verschwinden. Narben zeigen, wo unser Inneres schon einmal ein paar Lichtstrahlen erhascht hat.
Die bekanntesten Vertreter des Body-Horrors aus den 80er-Jahren zeigen eindrucksvoll die Faszination für das Destruktive. Die groteske Mutation von Jeff Goldblum zur «Brundlefly» aus David Cronenbergs «Die Fliege» (1986) oder die abartigen Verwandlungen beinahe des gesamten Casts in John Carpenters «Das Ding aus einer anderen Welt» (1982) – beides Neuinterpretationen von Filmen aus den 50ern – erhoben den Ekel zur Kunstform und machten aus uns begeisterte Voyeure des Absonderlichen. In beiden Werken tragen die zeitlosen praktischen Spezialeffekte und das grauenhafte (hier als Lob gemeint) Make-up entscheidend dazu bei.
«Together» ist nach Coralie Fargeats «The Substance» (2024) ein weiterer Beweis, wie fesselnd Body-Horror bis heute bleibt. Gleich in der allerersten Szene seines Regiedebüts lässt uns der Australier Michael Shanks spüren, wie verstörend die Entstellung von Lebewesen sein kann, wenn er, in Anlehnung an Carpenter, Hunde deformiert. Ein Hinweis, was das Langzeitpaar Tim (Dave Franco) und Millie (Alison Brie) im Laufe der 102 Minuten erwartet.
Filmfakten
Regie: Michael Shanks
Drehbuch: Michael Shanks
Mit: Alison Brie, Dave Franco, Damon Herriman, Jack Kenny, Sunny S. Walia, Karl Richmond, Tom Considine
Produktionsland: USA, Australien
Länge: 102 Minuten
Kinostart Deutschschweiz: 14. August 2025
Die beiden ziehen von der Stadt aufs Land, weil Millie eine neue Stelle als Grundschullehrerin ergattert hat. Tim ist Musiker, arbeitet in seinem Zimmer an neuen Songs und träumt mit Mitte 30 noch davon, Rockstar zu werden.
An einem freien Tag unternehmen sie eine Wanderung im Wald, nicht unweit von ihrem neuen Zuhause, und werden zum Opfer ihrer Orientierungslosigkeit und fehlendem Mobilfunkempfang. Auf der Suche nach dem Heimweg stürzen Tim und Millie in eine Höhle, in der sie Überreste einer Kapelle finden. Und noch etwas ist da unten: ein Teich. Tim trinkt daraus, Millie lässt es lieber bleiben. Sie entscheiden, die Nacht im Erdloch zu verbringen, denn draussen wütet ein Sturm.
Am nächsten Morgen kehren sie nach Hause zurück. Kurz darauf beginnt Tim, sich plötzlich an Millie zu klammern. Zuerst scheint seine Abhängigkeit mit dem kürzlichen Verlust seiner Eltern zusammenzuhängen. Doch es wird krankhaft, als bekäme er körperliche Entzugserscheinungen ohne seine Partnerin. Schon bald geht es Millie mit Tim genauso.
Schmerzhaftes Verschmelzen
Wie Nord- und Südpol zweier Magneten ziehen sie sich an. Ihre Körper wollen sich gegen ihren Willen vereinen. Anfangs kleben sie nur fest und können sich mit etwas Kraft wieder voneinander lösen. Das erinnert an ein Pflaster, das man ruckartig von der Haut abzieht. Tut weh, lässt sich aber locker wegstecken. Heikler wird es, wenn nach dem Sex Penis und Vagina aneinander haften bleiben.
Regisseur und Drehbuchautor Michael Shanks spielt in dieser Szene mit der Angst um eine der empfindlichsten Stellen des Menschen, potenziert das Unbehagen aber noch, indem er die Situation auf die Jungentoilette einer Grundschule verlegt. Er weiss genau, wie er eine beklemmende Atmosphäre erzeugt und seinen Body-Horror effektiv inszeniert.

Wenn sich später die Gliedmassen von Tim und Millie verbinden und losreissen keine Option mehr ist, hilft nur noch die Säbelsäge. Anstatt mit der Kamera draufzuhalten, entscheidet sich Shanks für den Schnitt und zeigt nur das Ergebnis. Das Verschmelzen wirkt dadurch schmerzhafter als das Trennen – sichtbar in den Gesichtern des Paares.
Dieses schwitzt, schreit, zittert, blutet, liebt und leidet. Ohne jeden Zweifel physisch, vielmehr aber noch emotional. Nach zehn Jahren Beziehung hält Millie vor dem versammelten Freundeskreis um Tims Hand an. Ein quälend langes Schweigen. Schliesslich erbarmt sich Tim und sagt Ja.
Ihre Beziehung, schon vorher leicht angeknackst, bekommt durch dieses Ereignis und den Umzug aufs Land weitere Risse. Schon seit längerem ist Tim distanziert. Bis zum besagten Toilettenvorfall hat er den Sex monatelang verweigert.
«Together» ist vordergründig ein Film über die Frage, ob man als Paar noch zusammen ist, weil man sich liebt oder nur zu bequem ist, um sich zu trennen. Hinzu kommt – und das klingt nach einer Dekade Beziehung etwas seltsam – eine tief verankerte Bindungsangst. Tims Traum als Rockmusiker den Durchbruch zu schaffen, hindert ihn daran, mit Millie den nächsten Schritt zu wagen. Das Gefühl macht sich breit, dass, hätte es mit der Musik wirklich geklappt, Tim sofort bereit gewesen wäre, seine Partnerin zu verlassen.
Liebe und Kugelmenschen
Dringt man tiefer in den Film vor, wird erkennbar, dass «Together» vor allem von der Hingabe an einen anderen Menschen handelt. Michael Shanks spricht der Liebe eine mythische Kraft zu. Das verdeutlicht er, indem er Jamie (Damon Herriman), Millies Arbeitskollegen, von einer Sage aus Platons «Das Gastmahl» erzählen lässt.
Der griechische Philosoph schilderte darin die ursprüngliche Natur der Menschen. Deren Gestalt war laut dem Text rundlich, alle hatten die doppelte Anzahl Gliedmassen – also vier Beine und Arme sowie zwei Köpfe als auch zwei Genitalien –, und es existierten drei Geschlechter: männlich, weiblich und mannweiblich.
Zudem besassen sie eine gewaltige Stärke, die sie in ihrem Übermut gegen die Götter richteten. Als Strafe für den Angriff zweiteilte Zeus die Menschen und machte aus ihnen Suchende. Von nun an strebten alle danach, «durch Nahsein und Verschmelzung mit dem Geliebten aus zweien einer zu werden», wie Platon schrieb.

In «Together» hüllt Michael Shanks die Geliebten aus der Erzählung ins Gewand des Body-Horrors und webt Elemente des Okkulten, eine unheimliche Stimmung und etwas Komik mit ein. Doch er findet in all dem Blut, den Körperdeformationen und dem kunstvollen Ekel auch eine Zärtlichkeit und Intimität, die auf den ersten Blick radikal wirkt.
Diese Radikalität schwindet, sobald man sich erinnert, wozu Menschen aus Liebe fähig sind. Mit dieser Erkenntnis bleibt «Together» nicht nur hervorragend inszeniertes Körperhorrorkino, sondern wird zu einer berührenden Lovestory.
Bewertung:


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